Lebensmittelsymbolik in Stillleben (1)
Wer glaubt, Stilleben seien langweilige Bilder ohne Bedeutung, liegt falsch. Umso mehr, wenn es sich um Stilleben handelt, auf denen in erster Linie Lebensmittel gezeigt werden. Viele der Bilder stecken voll von religösen Mahnungen oder erotischen Anspielungen. Oft hat man das Gefühl, ein Rätsel zu betrachten, das gelöst werden will.

Osias Beert, Stillleben mit Austern, Konfekt und Früchten.
Um zu verstehen, warum Stillleben oft voller Symbolik stecken, muss man ein wenig über die Zeit, in der sie geschaffen wurden, wissen. Nach der Reformation lehnte die Kirche die bis dahin üblichen Heiligenbilder ab. Gemäß dem Gebot: "Du sollst dir kein Bild machen", dem Wegfall des Heiligenkults und dem Gebot der Mäßigkeit, mussten die Maler sich stilistisch umorientieren. Gleichzeitig gab es in den wohlhabenden Handelszentren (z.B. in Flandern) einen Bedarf an repräsentativen Bildern. Ergebnis waren Stillleben, auf denen üppig angeordnete, wertvolle Lebensmittel gepaart mit religösen Szenen im Bildhintergrund dargestellt wurden. Die Lebensmittel im Vordergrund symbolisieren dabei oft nochmal den im Hintergrund angedeuteten biblischen Gedanken. Schließlich kam man ganz ohne die biblischen Szenen im Hintergrund aus.
Verstanden die Leute die Symbole?

Austern symbolisierten Erotik und "Sündige Verlockung"
Die Menschen des 16. und 17. Jahrhunderts waren durch die Bibel gewohnt, in Bildern einen Sinn zu suchen. Zusätzlich war es damals quasi "in", die Gegenwart Gottes in jedem Detail der Natur zu suchen. Nicht zuletzt waren damals Rätsel sehr beliebt. Stillleben waren also keine stilistischen Fingerübungen der Künstler, sondern waren Sinnbilder. Das Dargestellte deutet also auf etwas hin, was im Bild nicht sichtbar ist.
Ein Beispiel

Zitronen symbolisiert Mäßigung im Gegensatz zu Zuckerwerk, das als "süchtig machend" galt.
Das Bild von Osias Beert d.Ä. (oben rechts) soll als Beispiel dienen, um die Verwendung von Lebensmittel-Symbolen als Ausdrucksmittel der Stillleben zu zeigen. Einerseits sind dort Austern zu sehen, die als Appetit anregend galten und sündige Verlockungen symbolisierten. Ebenso das Zuckerwerk, das für Lebensgenuss und Wollust stand. Auf der anderen Seite sind auf dem Bild Zitronen abgebildet, die wiederum zur Mäßigung mahnen. Das Bild mahnt also die, die sich dem Genuss allzu sehr hingegeben hatten, zur Mäßigung.

Manche der Lebensmittel erlebten allerdings im Laufe der Zeit auch eine Bedeutungswandlung. So z.B. der zunächst sehr wertvolle Zucker. Er stand für den christlichen Glauben. Als der Wert des Zuckers sank, änderte sich auch die Symbolik: Zuckerwerk symbolisierte nun Lebensgenuss und Wollust.

Eine wichtige Botschaft, die in den Stillleben des 16. und 17. Jahrhunderts häufig zu finden ist, ist der sogenannte "Vanitas-Gedanke". Über Symbole wie faulendes Obst und Gemüse, leere Austern, welkende Blumen oder herabgebrannte Kerzen, wurde auf die "Nichtigkeit allen irdischen Strebens" hingewiesen. Damit sollte der Eitelkeit der (auf Erden) "Erfolgreichen" entgegengewirkt werden. Mehr oder weniger deutlich wurde mit den Symbolen auf die Bedeutungslosigkeit aller irdischen Reichtümer hingewiesen.
Anordnung der Lebensmittel

Keinesfalls dem Zufall überlassen: Die Anordnung der Lebensmittel
Nicht nur bei der Wahl der Symbole auf den Stillleben ließen die Künstler große Sorgfalt walten, auch bei der Anordnung der Dinge auf dem Bild blieb nichts dem Zufall überlassen. Sehr viele Stillleben wurden entlang von Diagonalen, Dreiecken oder anderen perspektivischen Linien konstruiert, um den Betrachter einerseits durch das Bild zu führen, aber auch, um den gezeigten Dingen eine unterschiedliche Gewichtung zu geben.

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